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Havuz-Aslantaş und die Natur- und Kulturlandschaft des Karaseki

Türkei, 2023

Die beeindruckende archäologische Fundstätte von Havuz-Aslantaş befindet sich im Becken von Kangal, unweit des kleinen Dorfes Havuzköy, das zur türkischen Provinz von Sivas gehört. Die gleichnamige Provinzhauptstadt liegt etwa 65 km in nordwestlicher Richtung. Geographisch gehört das Gebiet zu Zentralanatolien und wird bisweilen auch als östliches Kappadokien bezeichnet. Die Geographie des Kangalbeckens wird von dem weithin sichtbaren 67 km² großen Basaltplateau des Karaseki geprägt. Die Siedlung von Havuz-Aslantaş liegt spektakulär am Rand einer nordwestlichen Einbuchtung des Plateaus, die wahrscheinlich durch reiche Wasserquelle entstanden ist.

In der wissenschaftlichen Welt ist der Ort durch die Entdeckung einer großen neohethitischen Löwenfigur aus Basalt bekannt, die Hans Henning von der Osten dort 1926 während seines Zentralanatoliensurveys vorfand und die sich heute im Archäologischen Museum von Ankara befindet. Seltsamerweise erwähnte er die Ruinenstätte, bei der oberirdisch eine große Anzahl archäologischer Strukturen erkennbar ist, nur am Rande. Erst durch einen kurzen Bericht von Rainer Michael Boehmer aus dem Jahr 1967, der die Stätte an nur einem Tag besuchte, wurden erste Informationen über die Ruinen bekannt. Danach wurde der Ort zwar immer wieder im Rahmen verschiedener Surveys aufgesucht. Die Veröffentlichungen darüber beschränken sich jedoch auf äußerst knappe Informationen zur Siedlung und Datierungen anhand von Keramikfunden, die jedoch nie abgebildet wurden.

Erstaunlicherweise ist die archäologische Stätte von Havuz-Aslantaş bisher nie wirklich intensiver erforscht worden. Ein Grund dafür liegt wohl in der heute sehr kargen und abgelegenen Landschaft und dem stark geologisch geprägten Gelände, in dem archäologische Befunde schwer zu erkennen sind. Erst im Jahre 2021 wurde unter der Leitung von Dr. Belgin Aksoy und Prof. Dr. Dirk Paul Mielke ein Feldforschungsprojekt initiiert, um die Siedlung und ihre Kultur- und Naturlandschaft intensiver und ganzheitlich zu erforschen. Die erste Kampagne des neuen Projekts fand dann 2022 statt. Vorrangiges Ziel war es, die vielen oberirdisch sichtbaren Strukturen zu erfassen und zu kartieren, da nur eine Skizze der Ruine von Boehmer existierte. Zu diesem Zweck wurden vor den eigentlichen Arbeiten ein hochauflösendes digitales Geländemodell (DEM) und ein Orthofoto mit Hilfe einer Luftbilddrohne und der Structure from Motion-Methode (SfM) erstellt.

Auf eine Fläche von etwa 50 Hektar konnten vielfältige archäologische Reste entdeckt werden, die eine komplexe Siedlungsstruktur offenbaren. Zentrum ist ohne Zweifel die »Oberstadt« direkt am Rande des Plateaus mit einer ca. 1,5 ha großen »Oberen Burg« und einer ca. 3 ha großen »Unteren Burg«, die beide durch eigene deutlich erkennbare Befestigungsmauern gesichert waren. In der Oberburg sind die kompletten letzten Gebäudekonstruktionen erkennbar, die vermutlich das gesamte Areal einnahmen. Aber auch in der Unterburg finden sich zahlreiche Reste von Gebäuden und Podien. Für den großen Befestigungswall der Unterburg wurden die geologischen Gegebenheiten berücksichtigt, so dass dort vorhandene Dolinen als Gräben fungierten. Auf dem Plateau südlich der Oberstadt fanden sich zahlreiche Reste einer »Vorstadt« und nördlich der Oberstadt, am Fuße des Plateaus, belegen viele Spuren eine »Unterstadt«. Hier wurde 1926 auch die Löwenfigur entdeckt. Eine weitere neue Entdeckung ist ein Hügelgräberfeld nordwestlich der Oberstadt am Rande des Plateaus. Aber auch südlich und östlich davon haben wir Reste ehemaliger Grabhügel entdecken können. Leider sind viele von ihnen durch rezente Plünderungen zerstört worden. Darüber hinaus konnten wir im Südosten der Oberstadt weitere Reste von Gebäuden oder Gebäudekomplexen entdecken.

Während unserer ersten Geländearbeiten haben wir auch Keramik aufgesammelt, aber es wurde noch kein systematischer Survey durchgeführt. Der Großteil der Funde läßt sich der mittleren Eisenzeit zuordnen und datieren grob in das 9. bis 6. Jahrhundert v. Chr. Jahrhundert v. Chr. Die meisten der oberirdisch erfassten Strukturen können wahrscheinlich mit diesen Funden verbunden werden und gehören damit in die Eisenzeit. Wenige frühbronzezeitliche, römische und byzantinische Keramikfunde kommen nur sehr partiell in der Siedlung vor. Interessant sind auch einige spätbronzezeitliche/hethitische Keramikfunde. Die primäre Datierung der meisten archäologischen Reste in die Eisenzeit geben dem Fundort seine besondere historische Bedeutung. So handelt es sich um die nördlichste Siedlung mit Resten des sogenannten neohethitischen Kulturraums. Die Siedlung befindet sich zudem in einer geographisch herausragenden Lage mit Verbindungen zu Zentralanatolien mit der phrygischen Kultur, Ostanatolien mit der uratäischen Kultur und dem neohethitischen Kulturraum im Südosten. Diese historisch zweifellos wichtige Region ist jedoch vergleichsweise wenig erforscht. 

Für die nächsten Kampagnen (2023–2025) ist daher eine Intensivierung der archäologischen Surveyarbeiten in der Siedlung geplant. Darüber hinaus soll das gesamte Plateau und seine Umgebung genauer untersucht werden, denn es gibt massive Hinweise darauf, dass Havuz-Aslantaş nicht die einzige eisenzeitliche Siedlung auf dem Karaseki-Plateau war. Dafür hat uns die DOG dankenswerterweise eine Förderung bewilligt. Die ersten Ergebnisse unseres neuen Projektes machen deutlich, dass wir es hier mit einer komplexen Natur- und Kulturlandschaft von herausragender historischer Bedeutung zu tun haben, die aber auch zunehmend bedroht ist. So soll unser Projekt auch dazu beitragen die einmalige die Natur- und Kulturlandschaft von Havuz-Aslantaş und des Karaseki-Plateaus zu bewahren. 

 

Bibliographie

H. H. von der Osten, Explorations in Hittite Asia Minor 1927–28. Oriental Institute Communications 6 (Chicago 1929).

R. M. Boehmer, Havuzköy in Ostkappadokien. Archäologischer Anzeiger, 1967, 132–41.

B. Aksoy – D. P. Mielke, Havuz-Aslantaş and the natural and cultural landscape of the Karaseki. Posterpresentation for the 13th ICAANE, Copenhagen, 22-26 May 2023.

 

Kontakt

Dr. Belgin Aksoy, Bursa Uludağ Üniversitesi, Fen-Edebiyat Fakültesi, Sanat Tarihi Bölümü, Görükle Kampüsü Nilüfer 16059 Bursa/Türkei, E-Mail: belaksoy@uludag.edu.tr

Prof. Dr. Dirk Paul Mielke, Universität Münster, Historisches Seminar, Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, Domplatz 20-22, D-48143 Münster, E-Mail: dirk.mielke@uni-muenster.de