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Land of the Stormgod Survey – Archäologischer Survey nördlich von Gaziantep (Türkei)

Abb. 1: Blick auf den Karahöyük mit den Surveyteilnehmer:innen. (Foto: Şehriban Yüksel)  

Abb. 2.: Terrakottafigurine aus Bedirkent Höyük. (Foto: Ayşenur Pala)  

Abb. 3: Felsgrab am Dülük Baba Tepesi. (Foto: Şehriban Yüksel)  
Land of the Stormgod Survey – Archäologischer Survey nördlich von Gaziantep (Türkei)

Türkei, 2021

Auf dem Dülük Baba Tepesi genannten Berg im Bezirk Şehitkamil der Provinz Gaziantep befand sich einst das Zentrum eines zunächst regionalen und in römischer Zeit unter dem Namen Jupiter Dolichenus reichsweiten Sturmgottkultes. Die Ergebnisse der dort unternommenen Ausgrabungen haben eine kontinuierliche Nutzung dieses Areals von der späten Eisen- über die persische und hellenistische bis hin zur römischen Zeit nachgewiesen, wobei ein frühmittelalterliches Kloster sowie die neuzeitliche Türbe eines islamischen Heiligen – eben des „Dülük Baba“ („Vater Dülük“) – eine darüberhinausgehende Kultkontinuität nahelegen. Der Name Jupiter Dolichenus verbindet diesen Sturmgott mit der erst in hellenistischer Zeit gegründeten Stadt Doliche, die ca. 3 km nördlich des Bergheiligtums lag, und heute Dülük heißt, d. h. den antiken Namen bewahrt hat, wo seit 2015 Ausgrabungen stattfinden. Ob es eine ähnlich enge Beziehung des lokalen Sturmgottes mit einer vorhellenistischen Stadt gab, ist unklar, aber möglich. Archäologisch bedeutend ist an beiden Orten zudem die paläolithische und vereinzelt auch akeramisch-neolithische Nutzung, die sich in Form zahlreicher Steinartefakte dieser Epochen niedergeschlagen hat. Der dazwischen liegende Zeitraum vom Neolithikum bis in die späte Eisenzeit ist an beiden Fundstätten dagegen nur sehr spärlich bzw. gar nicht nachzuweisen. Daher stellt sich zum einen die Frage, ob sich an den teils unerforschten Hängen des Dülük Baba Tepesi tatsächlich keine anderen Funde machen lassen und, falls nein, zum anderen, ob es sich um ein sehr begrenztes, lokales Phänomen handelte oder ob auch das Umland von dieser weitgehenden „Besiedlungslücke“ betroffen gewesen sein könnte. Die Beantwortung dieser scheinbar recht einfachen Fragestellung stellt, da der Bezirk Şehitkamil archäologisch bisher kaum erforscht oder entsprechende Ergebnisse weitgehend unpubliziert geblieben sind, ein Problem bzw. eine Forschungslücke dar.

Deshalb ist es eines der Ziele des 2022 durch die Deutsche Orient-Gesellschaft unterstützten „Land of the Stormgod Surveys“, diese Forschungslücke zu schließen sowie die Kenntnisse über die Archäologie dieser Region, insbesondere der Siedlungsnetzwerke, auf eine solide Basis zu stellen und im Kontext der gut publizierten Regionen östlich (Euphrattal) und westlich (İslahiye-Tal und Amuq) davon zu betrachten. Obwohl der Schwerpunkt des Projektes zwischen dem Neolithikum und der späten Eisenzeit liegt – aufgrund der Zentralität des Dülük Baba Tepesi mit einem besonderen Fokus auf der Eisenzeit bzw. der syro-hethitischen Epoche –, sollen auch die späteren Epochen bis zum Mittelalter angemessene Berücksichtigung finden. Neben der Dokumentation, Überprüfung und ggf. Umdatierung bisher bekannter Fundorte wird zudem nach bisher unbekannten Fundstätten geforscht.

2022 wurden entsprechend der Forschungsschwerpunkte des Surveys nach der möglichen vorhellenistischen Nutzung des Dülük Baba Tepesi sowie der allgemeinen Siedlungsentwicklung des Bezirks Şehitkamil zwei unterschiedliche Methodiken angewendet. Einerseits wurde ein off site-Survey auf dem Dülük Baba Tepesi durchgeführt, welcher das Abgehen noch unerforschter Berghänge beinhaltete. Andererseits wurden fünf in der Literatur erwähnte, jedoch nicht näher untersuchte, sowie ein bisher unbekannter Fundort für eine on site-Begehung ausgewählt.

Die Ergebnisse deuten einerseits darauf hin, dass der Dülük Baba Tepesi deutlich intensiver als bisher bekannt genutzt wurde, sowohl für landwirtschaftliche als auch funeräre Zwecke, dass aber die nachgewiesenen Nutzungszeiten sich auch weiterhin entweder auf Paläolithikum / Neolithikum oder die hellenistische Epoche und später beschränken.

Im Gegensatz dazu zeigen die sechs untersuchten Orte in einem 10 km-Radius um den Dülük Baba Tepesi herum, u. a. Karahöyük, Aktoprak Höyük, Erikli Höyük, Bedirkent Höyük, Çinçin Höyük, dass eine rege Siedlungsaktivität vorlag. Bemerkenswert ist, dass Aktoprak Höyük vielleicht sogar eine durchgehende Besiedlung vom Paläolithikum bis in die frühe Neuzeit aufweist, während Bedirkent Höyük, Karahöyük und Erikli Höyük mindestens vom Chalkolithikum bis in die hellenistische Zeit bewohnt waren. Des Weiteren zeigte der – bislang nur begrenzt aussagekräftige – Vergleich der Siedlungshügel untereinander, dass kaum Belege für die frühe Eisenzeit vorlagen und andererseits Besiedlungslücken in einigen mit Neugründungen in anderen Fundorten am Beginn der hellenistischen Epoche zusammenfallen.

Es ist zu hoffen, dass in den geplanten Survey-Kampagnen der nächsten drei Jahre weitere Indizien, welche diese Entwicklungen erhärten oder widerlegen könnten, gefunden werden können.

 

Kontakt:

Birgül Ögüt (ogut@zedat.fu-berlin.de)

Matthias Lange (langemat@hu-berlin.de)