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Der Fundplatz Pir Wali liegt im Zagrosgebirge am südlichen Ufer des Rowanduz-Flusses, ca. 5,8 km südöstlich dessen Einmündung in den Großen Zab.

Abb. 1: Pir Wali, Bereich der Grabungsflächen, Blick nach Südosten.   

Abb. 2: Pir Wali, Massive Mauer der Schicht V überlagert von Schicht III in Areal 229, Blick nach Nordwesten.  

Abb. 3: Pir Wali, Bronzeringe aus der Schuttschicht in Areal 229.  
Rettungsgrabung Pir Wali im Khalifan-Distrikt (Irak)

Irak (Kurdistan), 2019

von Claudia Beuger

Der Fundplatz Pir Wali liegt im Zagrosgebirge am südlichen Ufer des Rowanduz-Flusses, ca. 5,8 km südöstlich dessen Einmündung in den Großen Zab. Diese Region ist auf den Karten zur historischen Geographie des ersten Viertels des 1. Jt. v. Chr. in der Regel als eine mehr oder weniger eindeutig definierte Pufferzone zwischen den östlichen Grenzen Assyriens (Provinz Ḫabruru) und den südwestlichen Ausläufern Urartus (Muṣaṣir) gekennzeichnet. Es war daher eine der zentralen Fragen der Forschungen im Khalifan-Distrikt (Soran, Irakisch-Kurdistan), ob sich im archäologischen Befund ein assyrischer, urartäischer oder iranischer Einfluss erkennen lässt. 

Pir Wali wurde im Rahmen des Khalifan Survey Projekts 2016 erstmals dokumentiert. Auf Grundlage der Voruntersuchungen in den Jahren 2017 und 2018 wurde die Arbeitshypothese aufgestellt, dass Pir Wali im 8.–7. Jh. v. Chr. temporär als militärischer Außenposten oder Feldlager genutzt wurde. Einen wichtigen Hinweis dazu hatte das gut 100 m lange Baggerprofil gegeben, das durch den bis heute betriebenen Kiesabbau in Pir Wali entstanden war. Das hohe Keramikaufkommen mit klaren Bezügen zu Assyrien auf der einen Seite und die beinahe sterilen anthropogenen Schichten, die insgesamt lediglich eine Mächtigkeit von ca. 1 m über dem anstehenden Grund erreichen, auf der anderen Seite standen in auffallendem Gegensatz zu einander.

Die Flächengrabungen 2019 haben nun deutlich gezeigt, dass in Pir Wali sogar eine relativ intensive Bautätigkeit stattgefunden hat. Allerdings beschränkt sich die Bebauung auf einen eng zu fassenden zeitlichen Rahmen und lediglich auf einen Bereich von etwa 0,6 ha zwischen zwei niedrigen Felskämmen, der vom Kiesabbau bisher verschont worden ist (Abb. 1). Direkt unter der Oberfläche mit einem islamischen Friedhof (Schicht I) traten bereits Schichten mit schlichter Wohnarchitektur (Schicht II–III) zu Tage, die anhand von C14-Proben und einzelnen Kleinfunden in die Seleukiden- bis Arsakiden-Zeit datiert werden können. Eher dünnwandige Steinfundamente gründen auf einer Abfolge von drei Schichten mit wesentlich monumentalerer Architektur (Schicht V–VII) (Abb. 2). Da die Befunde sehr dicht übereinander liegen, sind stratigraphische Zuweisungen der zahlreichen Keramikfunde bisher nur sehr eingeschränkt möglich. Allerdings fielen im Grabungsverlauf zwei Keramikgruppen besonders auf: In den Abhüben über den massiven Steinfundamenten Schicht V fand sich vorwiegend eine scheibengedrehte Ware, die der spätassyrischen Keramik in Mesopotamien entspricht. In den Strukturen der Schicht VI fand sich dagegen vorwiegend eine handgemachte Grobkeramik, die gute Vergleiche in der westiranischen Eisenzeit III-Keramik findet. Gegenwärtig ist es kaum zu entscheiden, ob die assyrische Keramik lediglich mit Schicht V oder mit allen drei Bauphasen zu verbinden ist. Die oft recht großformatigen Scherben der Grobkeramik, die zahlreichen Bronze- und anderen Kleinfunde (Abb. 3) sowie die Fundarmut in der oben beschriebenen Schicht direkt über dem Alluvium deuten möglicherweise darauf hin, dass Pir Wali zunächst – eventuell seit der späten Frühbronzezeit – als Friedhof genutzt wurde, dessen Gräber dann bei Anlage der Bauwerke zerstört worden sind.

Der deutlich erkennbare Bruch in der Keramiktradition im 8.–7. Jh. v. Chr. in Pir Wali liefert für den Khalifan-Distrikt erstmals eine Antwort auf die zu Beginn des Surveys aufgestellte Kernfrage, ob und wie das Gebiet unter assyrische Kontrolle gebracht worden ist. Die Bauwerke der Schichten V–VII können dabei möglicherweise als Beleg eines assyrischen Kontrollsystems durch kleinere Wehranlagen gewertet werden, wie sie inzwischen auch weiter südlich in der Rania-Ebene in Ausgrabungen nachgewiesen werden konnten.

Die Ausgrabungen in Pir Wali waren als Rettungsmaßnahmen angelegt und konnten daher nur sehr ausschnitthaft Einblick in die Geschichte des Platzes bieten. Um die Funktion der angetroffenen massiven Architektur zu verstehen, sind weitere großflächige Ausgrabungen notwendig. 

 

Kooperationspartner

Mitarbeiterinnen

Vorbericht: Beuger, C./Heitmann, R./Pastwa, S./Schlüter, S./Suleiman, A., Assyrer im nordwestlichen Zagros? Bericht zu den Grabungskampagnen 2017–2019 in Pir Wali, Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 153, 2021, 95–126.